Oktober-Interview mit Thomas Fiedler

Thomas Fiedler, 01.11.2014

Oktober-Interview mit Thomas Fiedler

Unser Web-Administrator und Fanbetreuer Torsten Graf im Oktober-Gespräch mit unserem Präsidenten Thomas Fiedler

Guten Tag Herr Fiedler. Bevor wir zum eigentlichen Thema kommen, ein kurzes Fazit zum gestrigen Spiel in Neuhaus?

Im Moment befinde ich mich immer noch im Status „Ärgern“. Nur so viel: Man kann sich auch selbst etwas vormachen, wenn man den Sieg in einem Testspiel gegen den Tabellenzweiten einer anderen Landesklassenstaffel feiert und dann im Pflichtspiel gegen den Tabellenvorletzten der eigenen Staffel versagt. Die Jungs müssen einfach begreifen, dass speziell in dieser Südstaffel gegen jede Truppe voll dagegen gehalten und manchmal eben auch Fußball gearbeitet und nicht gespielt werden muss. Erst recht gegen eine Mannschaft mit begrenzten, spielerischen Mitteln auf einem Hartplatz.

 

Nachdem Sie beim letzten Interview Aussagen in Bezug auf unseren gesamten Verein getroffen haben, wollen wir heute einmal intensiv auf den Männerbereich eingehen. Es sind neun Spieltage in der Landesklasse vorüber, die Mannschaft steht auf Platz 10, vom angesprochenen sofortigen Wiederaufstieg sind wir meilenweit entfernt. Wie beurteilen Sie die Situation?

Es tut vielleicht manchem weh, ist aber Tatsache: Wir stehen momentan da, wo wir leistungsmäßig hingehören. Dazu passt auch die gestrige Niederlage. Derzeit sehe ich fünf bis sieben Spieler, die landesliga-tauglich wären, bei weiteren Spielern, die sich sicherlich noch entwickeln werden, reicht aber das spielerische Niveau nur für den derzeitigen Stand in der Landesklassen-Tabelle. Treten bei im Stamm vorhandenen ca. 20 Spielern Verletzungspech oder andere Ausfälle auf, stellt das unsere Mannschaft immer vor besonders knifflige Herausforderungen.

Was den sofortigen Wiederaufstieg betrifft: Als wir im Sommer in Gera nach dem bitteren Abstieg auf dem Rasen im Kreis standen, haben wir uns geschworen, so schnell es geht wieder zurück in die Verbandsliga zu kommen - nur das ist dort gesagt worden, und das ist genau das Ziel, für das alle an einem Strang ziehen müssen.

 

Was muss getan werden, damit dieser Wiederaufstieg realistisch wird? Vor allem ältere Fußballfreunde und Wackeranhänger empfinden es als eine Schande, dass Wacker nicht mehr die Nummer 1 im Kreis Gotha ist.

Zunächst einmal müssen wir und dafür stehen Christian Gehret und ich, am eingeschlagenen Weg des Setzens auf den eigenen Nachwuchs festhalten und uns nicht vom derzeitigen Tabellenstand nervös machen lassen. Die Jungs mit Wacker-Stallgeruch müssen nach vielen Jahren des erfolgreichen Fußballs in unseren Nachwuchsteams das Korsett der Ersten bilden.

Zweitens müssen wir jedes Jahr im Rahmen unserer Möglichkeiten eine punktuelle Verstärkung von außen gewährleisten. Auch wenn ich mich nicht in die sportlichen Dinge einmischen möchte, ich bin kein Anhänger einer flachen Hierarchie. Ich hätte gern ein oder zwei, die den Ton auf und um das Feld angeben, die das uneingeschränkte Sagen aber auch die Akzeptanz der anderen haben. Daneben gilt es den Talenten aus den eigenen Reihen die Chance zu bieten, dass sich der ein- oder-andere selbst zu solch einem Führungsspieler entwickeln kann. Vergessen wir nicht: zum absoluten derzeitigen Stamm der Ersten gehören drei achtzehnjährige, drei neunzehnjährige und drei zwanzigjährige Jungs. Ich finde das toll.

Drittens ist es wichtig, dass das eigene Konzept ständig an die Erfordernisse angepasst wird, dass es lebt und nicht statisch wird. Dazu gehört auch, dass ständig alles und vor allem jeder hinterfragt werden muss.

 

Heißt das, es wird Veränderungen geben?

Natürlich wird es Veränderungen geben, keine Veränderungen bedeuten Stillstand. Eine Aufgabe ist immer nur temporärer Art, dann gilt es eine neue anzupacken. Alles hat seine Zeit und zu jeder Aufgabe gehören Menschen, die diese Arbeit mit den notwendigen Mitteln und dafür am besten geeignetsten Maßnahmen erledigen können. Das betrifft sowohl neue Spieler aber auch das Trainerteam muss sich, seine Arbeit und seine Erfolge hinterfragen lassen. Und nicht zuletzt der Vorstand selbst. Es geht hier nicht darum, sich an einen Posten zu klammern sondern um die Bereitschaft mit anzupacken. Man muss auch helfen wollen.

 

… zurück zur ursprünglichen Frage. Ist es eine Schande, dass Wacker nicht mehr die Nummer 1 ist?

Was die Kriterien für eine Nummer 1 sind, dazu ist mir keine Berechnungsmethode für eine Klärung bekannt. Eine Bewertung ist immer subjektiv und ich kann verstehen, dass man sich in Dachwig freut, eine Klasse über uns zu spielen und das Siebleben vor Stolz nur so strotzt, weil sie gegen uns gewonnen haben. Ich würde lügen, wenn diese Tatsachen spurlos an den Verantwortlichen und mir persönlich vorüber gegangen wären.

Aber genauso ehrlich sage ich mit Selbstbewusstsein und aus tiefster Überzeugung, dass der FSV Wacker 03 Gotha auch derzeit die Nummer 1 in der Region ist und bleiben wird. Dies in aller Deutlichkeit deshalb, weil ich jede Woche in ca. 250 Kinderaugenpaare blicken kann, die in diesem Verein eine Topp-Ausbildung erhalten. Schauen Sie bitte zu einem anderen Gothaer Vorzeigeverein, zu Westring. Auch hier läuft’s bei den Männern derzeit nicht so rosig. Aber man setzt und baut auf seriöse und hochwertige Jugendarbeit und wird dafür belohnt. Man spielt mit einem fast kompletten Nachwuchsbereich, mit zwei Mannschaften sogar in der Verbandsliga.  Das entspricht meiner Vorstellung von guter Vereinsarbeit, dies sind meiner Meinung nach Kriterien für eine Nummer 1 oder 2, wenn man unbedingt ein Ranking festlegen möchte.

 

Sie sprachen von „punktuellen“ Verstärkungen „im Rahmen unserer Möglichkeiten.“ Was sind unsere Möglichkeiten?

Zuerst Folgendes: Im Rahmen der Sportförderung von Stadt und Landkreis, aus den Töpfen verschiedener Stiftungen aber auch durch Sponsoren, Spender und Förderer, die mannschaftsbezogen agieren, haben wir in der vergangenen Saison eine Summe im mittleren fünfstelligen Bereich für unsere G- bis A-Junioren zur Verfügung gestellt und werden das in der jetzt laufenden Saison ebenfalls tun. Mit Unterstützung der Regionalstiftung der Sparkasse konnten wir in diesem Jahr weit über 10.000 € aufbringen, um fünf Nachwuchsmannschaften die Teilnahme an einem hochwertigen internationalen Turnier, der Mozart-Trophy in Salzburg zu ermöglichen. Das heißt Fußballschule mit Spaß für über 100 Kinder und Begegnungen gegen holländische, spanische, türkische, polnische und verschiedene Mannschaften des Balkans. Das heißt aber auch Integration von sozial benachteiligten Jugendlichen oder Jungs und Mädels mit Migrationshintergrund und es bedeutet Teambildung auch neben dem Sportplatz.

Dieses Geld aufzutreiben, ist oft nicht leicht, kostet Zeit und Nerven. Aber es ist diese Zeit und Nerven wert. Dabei reden wir hier über Finanzen, die anderswo ausschließlich der ersten Männermannschaft zu Gute kommen. Ich mag das weder werten noch kommentieren, jeder Verein hat seine Ausrichtung und unsere habe ich mehr als einmal entsprechend dargelegt. Bei Wacker wird es unter meiner Verantwortung keine spürbaren Kürzungen im Nachwuchsbereich zu Gunsten überbezahlter Männer geben.

Somit relativieren sich natürlich auch die finanziellen Möglichkeiten zur Planung für Erste und Zweite. Hier gilt und ich sage das nochmals: eine Verstärkung wird nur dann geholt, wenn sie ins Konzept passt und dann wird diese Person auch entsprechend profitieren.

Ich halte nichts von diesen früher-war-alles-anders-Sprüchen und sage trotzdem, dass es schon mehr als krank ist, wenn durchschnittliche Landesklasse- oder Verbandsligaspieler heutzutage in den Verhandlungen zusätzlich zu Fahrkosten und Ausrüstung mehrere Hundert Euro verlangen.

 

Können Sie trotzdem verstehen, dass manch Anhänger gern mal einen bekannten Spieler, also einen Kracher in der Ersten sehen würde?

Klar doch. Ich werde ja ständig auf den Sportplätzen, beim Einkaufen in der Stadt, in Telefonaten oder E-Mails darauf angesprochen. Man nimmt dann meist auch eine oder mehrere gute Ansatzpunkte aus der Diskussion mit aber häufig fehlt manchen Leuten das Verständnis dafür, dass man nur das Geld ausgeben kann, was man hat und Sponsoren oder Spender auch nicht wahllos zu finden oder zu akquirieren sind.

Ich sage dann meist etwas spaßig: „Wenn du die Hälfte deines Gehalts oder deiner Rente am jeweils Monatsersten idauerhaft auf das Wackerkonto überweist, dann kriegen wir das hin.“

Also nochmals, neue Spieler müssen zu uns passen. Sportlich, finanziell und charakterlich. Sie müssen unser Konzept mitgehen wollen. Diese Jungs bekommen dann auch die Unterstützung, die in den Verhandlungen vereinbart wurden und zwar definitiv und pünktlich. Ich glaube schon, dass es uns im Sommer gelungen ist, junge Leute mit diesen geforderten Eigenschaften zu uns zu holen. Ich sage aber auch, dass Verhandlungen mit mehreren Spielern im Sommer scheiterten. Nicht am Finanziellen, sondern daran, dass diese Jungs Verbandsliga spielen wollten und uns nur bei einem Nichtabstieg definitiv verstärkt hätten.

 

Wagen Sie einen Ausblick auf das Ende der Saison?

Erst wenn ich meine Glaskugel wieder gefunden hab. Nein, mal im Ernst. Ich habe dargelegt, welche Ziele wir mit welchen Mitteln erreichen wollen. Wir haben vor einem Jahr eine vollkommen andere Politik im Männerbereich unseres Vereins eingeführt, sozusagen den Reset-Knopf gedrückt und neu begonnen. Diese Veränderungen brauchen mehr Zeit als nur eine Saison, ganz sicher auch Korrekturen, bevor man Erfolge einfahren kann. Die Mannschaft muss sich entwickeln, sich entwickeln dürfen und muss verstärkt werden. Nicht einmalig, immer wieder. Natürlich müssen und wollen wir wieder in die Verbandsliga zurück aber das geht nur in kleinen Schritten weil auch unsere Möglichkeiten nur bescheiden sind. Unser Potential ist nicht Geld sondern junge Menschen. Ich würde mich freuen, mit diesen großartigen Jungs am 13. Juni 2015 unter den ersten fünf der Landesklasse zu sein, dann werden wir im kommenden Jahr über mehr reden.

Und wenn sich ein oder mehrere Heilsbringer finden, gibt es Wunder auch schon früher.

Danke für das Gespräch.